Logopädie

Schluckstörungen bei Kindern (Dysphagien, Myofunktionelle Störung)

Schluckstörungen sind funktionell oder organisch bedingte Störungen der orofacialen Muskulatur (Mundmuskulatur) und aller am Schluckvorgang beteiligten Strukturen. Man unterscheidet die Störung der Nahrungsaufnahme (Dysphagie) von der isolierten Form der Störung der orofacialen Muskulatur (Myofunktionelle Störung), die häufig mit Zahn- und Kieferfehlstellungen verbunden ist.

Folgende Ursachen können der Grund einer Myofunktionellen Störung und/oder einer Schluckstörung (Dysphagie) sein:

Frühgeburt, angeborenes / fehlerhaftes Schluckmuster, unphysiologische Kopf- und Körperhaltung, dauerhafte Mundatmung, vergrößerte Mandeln, vergrößerte Polypen, Daumenlutschen, Wahrnehmungsstörungen, Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten, angeborene und erworbene Hirnschädigungen, Tumorerkrankungen im Kopf-Hals-Bereich

Erscheinungsformen

Leitsymptome der Dysphagie:

  • Störungen des Schluckvorgangs in der oralen Phase (Mundraum):
    • Austritt von Speichel und/oder Nahrung aus der Mundhöhle
    • veränderte Sensibilität im Mundraum (dadurch unter Umständen Verbleiben von Nahrungsresten im Mundraum)
    • eingeschränkte Kieferbeweglichkeit und -kraft
    • Probleme beim Nahrungstransport mit der Zunge
    • zum Teil übersteigerte orale Reflexe (z.B. Beißreflex, Würgreflex)
  • Störungen des Schluckvorgangs in pharyngealen Phase (Rachen):
    • fehlender Abschluss zum Nasenraum (Gaumensegelschwäche)
    • eingeschränkte Funktion der Schlundmuskulatur (zu spät ausgelöste Reflexe, fehlende Reflexe)
    • eingeschränkte Kehlkopfbewegung
    • Speichel- oder Nahrungseintritt in die unteren Luftwege durch fehlende Schutzreflexe (Verschlucken mit Husten, Niesen, Würgen und/oder Erbrechen)
    • Nahrung bleibt im Pharynx (Rachen) hängen
    • gurgelnde Stimme, unter anderem als Hinweis auf stille Aspiration (unbemerktes Verschlucken)
    • Probleme bei der Öffnung der Speiseröhre zum Nahrungseintritt
  • Störungen des Schluckvorgangs in der ösophagealen Phase (Speiseröhre):
    • Behinderung des Nahrungstransportes in der Speiseröhre (Verengung der Speiseröhre, Bewegungsstörung)

Weitere Aspekte bei Dysphagien:

  • Die Konsistenz der Nahrung (flüssig, fest, breiig) stellt unterschiedliche Anforderungen an den Schluckvorgang
  • Eine optimale Körperhaltung ist die beste Vorraussetzung für Patienten mit einer Schluckstörung
  • Die Nahrungsaufnahme sollte in einer angenehmen, ruhigen Situation stattfinden können
  • In manchen Fällen ist (zusätzlich) Sondernahrung erforderlich

Nicht behandelte Dysphagien können lebensbedrohliche Folgen haben:

Nahrungsverweigerung, Mangelernährung, Dehydration (Flüssigkeitsmangel), Fieber, Bronchitiden, Lungenentzündungen

Leitsymptome der Myofunktionellen Störung:

Bei einer Myofunktionellen Störung liegt im Wesentlichen eine Fehlfunktion aller beteiligten Muskeln im Mundbereich vor (Wangen-, Lippen-, Zungenmuskulatur):
Störungen des orofacialen Gleichgewichtes, dauerhaft fehlender Mundschluß, Infantiles Schluckmuster (Zungenvorstoß beim Schlucken), Vorverlagerung der Zunge (zwischen den Zähnen) während des Schluckens und/oder Sprechens

Folgen einer Myofunktionellen Störung:

  • Zahnfehlstellungen
  • Artikulationsstörungen, z.B. Lispeln (im Volksmund), nuschelige, undeutl. Aussprache

Ziel der logopädischen Behandlung

Oberstes Ziel ist die sichere orale Ernährung. Essen und Trinken zu können ist eine wichtige Aktivität des täglichen und sozialen Lebens und in Hinblick auf elementare Lebensqualität von unschätzbarem Wert.
Behandlungsziele sind:
Aufbau und Verbesserung natürlicher Bewegungsabläufe, Ausnutzung, Verbesserung bzw. Veränderung von Restfunktionen, Abbau krankhafter Bewegungsabläufe, ggf. die Änderung ungünstiger Bewegungsabläufe beim Essen und Trinken, ggf. diätische Maßnahmen und Einsatz von Ess-/Trinkhilfen

Ziele bei Myofunktioneller Störung sind:
Normalisierung der Zungenlage, Verbesserung der muskulären Vorraussetzungen zur Korrektur von Zahn- und Kieferanomalien, Aufbau eines physiologischen Schluckablaufs

Behandlungsformen:

Vor jeder Behandlung wird die dem Entwicklungsstand des Kindes angemessene Diagnostik durchgeführt. Danach wird die Behandlung in Einzeltherapie oder Gruppentherapie (z.B. bei Myofunktionellen Störungen) begonnen und parallel dazu Elternberatung bzw. -anleitung durchgeführt. Die Mitarbeit der Eltern ist von sehr entscheidender Bedeutung, da sie viele Übungen bzw. ein spezielles Training mit ihrem Kind selber täglich durchführen müssen. U.U. kann die Behandlung im häuslichen Bereich des Patienten erfolgen.

Zielbereiche sind Wahrnehmung, Atmung, Haltung/Positionierung, Regulierung der Muskelspannung (Tonus), Schluckmotorik/selbständige Nahrungsaufnahme, störungsspezifische kognitve Fähigkeiten, störungsspezifische Krankheitsverarbeitung, Hilfsmittelversorgung

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung:

Die logopädische Therapie sollte so frühzeitig wie möglich beginnen: Bei Säuglingen mit Dysphagien muss die Therapie beginnen, sobald es der Zustand des Kindes erlaubt. Bei Kindern mit myofunktionellen Störungen empfiehlt sich entweder ein sehr früher Zeitpunkt (passive, funktionelle Behandlung) oder ein Zeitpunkt, der die intellektuelle Reife des Kindes berücksichtigt (aktive Übungsbehandlung). Dies optimiert die kieferorthopädische Therapie und sollte somit davor beginnen. Eine Therapieeinheit beträgt in der Regel 45 Minuten. Die wöchentliche Therapiefrequenz ist abhängig von der Art der Behandlung und dem Entwicklungsstand des Kindes und beträgt i.d.R. 1 - 3 mal pro Woche. Bei schweren Dysphagien ist bei Beginn der Therapie eine tägliche Behandlung nötig.

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